
Abmahnungen im Arbeitsrecht
Wann ist eine Abmahnung gerechtfertigt?
Eine Abmahnung ist ein zentrales Instrument im Arbeitsrecht und spielt vorallem im Kontext einer Kündigung eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei verhaltensbedingten Kündigungen ist sie häufig Voraussetzung für die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht Berlin entschied am 6. Januar 2025, dass ein Arbeitnehmer seiner Arbeitgeberin nicht ohne Nachweise vorwerfen darf, sie bekämpfe demokratische Prozesse und fördere den Aufstieg der AfD.
*soweit in diesem Beitrag nur die männliche Form genannt wird, ist die weibliche / diverse Form zugleich miterfasst.
ArbG Berlin, Urteil vom 06.01.2025 - 58 Ca 4568/24 (PM)
Zusammenfassung der Pressemitteilung des ArbG Berlin
Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung.
Der Kläger steht in einem Arbeitsverhältnis zur beklagten Universität und ist freigestelltes Personalratsmitglied. Der Kläger ist Vorstandsmitglied der Verdi-Betriebsgruppe, dessen Vorstand im Internet einen Aufruf zur Teilnahme an einem Aktionstag unter anderem gegen die AfD veröffentlichte. In diesem Aufruf wird der beklagten Universität vorgeworfen, Tarifverträge nicht einzuhalten, Tätigkeiten aus unteren Lohngruppen mit hohem Anteil migrantischer Beschäftigter auszugliedern, Mitbestimmung und demokratische Prozesse zu bekämpfen sowie gewerkschaftliche Organisierung zu behindern. Weiter heißt es, die Universität fördere durch ihr Handeln den Aufstieg der AfD.
Die beklagte Universität erteilte dem Arbeitnehmer daraufhin eine Abmahnung. Darin führte sie aus, dass die genannten Passagen des Aufrufs eine ehrverletzende Kritik darstellten und somit eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis begründeten. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Mit vorliegender Klage macht der Kläger geltend, die Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage auf Entfernung der Abmahnung ab.
Nach Auffassung des Gerichts habe der Kläger seine Nebenpflicht zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis durch den Aufruf verletzt. Zwar sei der Aufruf als Meinungsäußerung anzusehen, da er wertende Elemente enthalte. Jedoch überschreite er nach Anlass, Kontext und Zweck die Grenzen auch polemischer oder überspitzter Kritik. Es handele sich vielmehr um eine Schmähkritik, die nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes gedeckt sei. Für die erhobenen Vorwürfe fehlten zudem objektiv nachweisbare Anhaltspunkte. Beispielsweise sei die Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten im öffentlichen Dienst gängige Praxis.
Fazit & Praxistipp
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin verdeutlicht die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers und der Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis. Obwohl die Freiheit der Meinungsäußerung in Deutschland grundrechtlich geschützt ist, darf sie nicht dazu führen, dass die Arbeitsbeziehung durch Schmähkritik gegenüber dem Arbeitgeber gestört wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt Schmähkritik immer dann vor, wenn nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund steht, sondern einzig die Diffamierung (vgl. BVerfG, Beschluss v. 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19). Arbeitnehmer sollten sich ihrer Äußerungen im beruflichen Kontext stets bewusst sein und sicherstellen, dass ihre Kritik konstruktiv und sachlich bleibt. Andernfalls kann der Ausspruch einer berechtigten Abmahnung bereits den ersten Schritt zu einer verhaltensbedingten Kündigung darstellen.
Verfasserin dieses Beitrags: Janina Aue, Rechtsanwältin & Mediatorin
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